Istriens Küche ist das Ergebnis einer wechselvollen Geschichte. Hier vereinen sich Einflüsse aus Kroatien, Italien, Slowenien und Österreich zu einem kulinarischen Schmelztiegel. Die Australierin Paola Bacchia ist mit dieser einzigartigen Küche aufgewachsen.
Paola Bacchia wurde in Melbourne geboren und ist heute eine bekannte australische Food-Autorin. Doch ihre Wurzeln liegen nicht in Down Under, sondern in Europa,- auf der größten Halbinsel an der nördlichen Adria: Istrien. Als Istrien nach dem Zweiten Weltkrieg an Jugoslawien fiel, emigrierten ihre italienischstämmigen Eltern 1950 wie viele ihrer Landsleute nach Australien. Als echte "istriani" nahmen sie ihre Kultur mit, lebten sie weiter in der Ferne und vererbten sie ihren Nachkommen.
In ihrem neuen Kochbuch "Istrien", das für den Deutschen Kochbuchpreis 2023 in der Kategorie "Mediterrane Küche" nominiert ist, schreibt Bacchia über diese untrennbare Verbindung von Essen, Gemeinschaft und Erinnerung: "Essen kennt keine Grenzen". Mit Rezepten wie Palacinche, handgerollten Makkaroni, gefüllten Sardinen oder Gulasch mit Sauerkraut lässt sie die istrische Kultur wieder aufleben und findet so zurück in die Vergangenheit ihrer Familie. Die Gerichte zeugen von sich ständig wandelnden Grenzen und verschiedenen Kulturen, die sich einst die istrischen Hügel, Küsten und Täler teilten und mit der Halbinsel tief verwoben sind. Ein Kochbuch, mit dem man mitten in "das Herz der Adria" reist. Und das ist auch der Untertitel des bei ars vivendi erschienenen Buches, ein schönes Hardcover mit Folienprint und Farbschnitt.
Die Gerichte sind detailliert beschrieben, die Rezepte in zehn Kapiteln übersichtlich unterteilt, angefangen von Suppen und Vorspeisen bis hin zu Saucen und Eingemachtem. Grundrezepte für Brühen, Pasta oder Pfannkuchen fehlen ebenso wenig wie Ideen zum Aromatisieren von Grappa. Viele Gerichte haben einen italienischen Touch, das liegt natürlich am familiären Hinterland der Autorin, und doch sind sie richtig gute istrische Hausmannskost - mit all den kulinarischen Einflüssen aus Slowenien, Österreich, Italien und Kroatien. Womit wir wieder bei der bewegten Geschichte Istriens sind, denn die prägt dieses Buch.
Küche kennt keine Grenzen
Im Laufe der Jahrhunderte stand die herzförmige Halbinsel unter vier verschiedenen Flaggen, mal abgesehen von den Römern. Denn die waren selbstverständlich auch hier: Amphitheater, Tore, Säulen, Mosaiken und Villen beziehungsweise deren restaurierte Reste zeugen davon. Heute gehört der größte Teil Istriens zu Kroatien, ein kleinerer Teil im Norden zu Slowenien und ein noch kleinerer Landstrich um die Ortschaft Muggia zu Italien. Im 18. Jahrhundert gelangte die Halbinsel auch mal an die Habsburger Monarchie. Dieser kulturelle Schmelztiegel hat seine wunderbaren Einflüsse auch auf den Esstischen hinterlassen und für die vielfältigsten Aromen gesorgt. Istrien ist offiziell zweisprachig, doch es gibt darüber hinaus Dialekte, die heute nur noch sehr wenige Menschen sprechen. "Meine Muttersprache ist weder Englisch noch Italienisch, sondern dialetto (Dialekt)", schreibt Paola Bacchia. "Sie ist im Wesentlichen venezianischen Ursprungs und wird auch als istrisch-venezianisch bezeichnet." Mit diesem Dialekt, der seit einem Jahrtausend im Westen der Halbinsel gesprochen wird und seit 2021 zum nationalen immateriellen Kulturerbe Kroatiens gehört, ist sie aufgewachsen.
"Istrien. Das Herz der Adria" ist ein Buch, das nicht nur die Küche einer Viel-Völker-Region widerspiegelt, sondern auch deren einzigartige Geschichte, denn die Autorin erzählt vom Verlust der Heimat und dem Trost einer vertrauten Mahlzeit, wenn sie uns den Fischeintopf von Mama Livia oder Alices Fleischbällchen, Marios überbackene Muscheln oder Grillspieße auf Balkan-Art näherbringt. Zwischen den Rezepten immer wieder Fotos und berührende Familiengeschichten: Kennenlernen und Verliebtsein, Bedenken der Eltern, Sorgen und Ängste, Trauer und Verlust - aber auch unbeschwerte Ausflüge und fröhliche Feiern. Viele alte Schwarz-Weiß-Fotos von Familie und Freunden lassen uns in die Vergangenheit blicken. Farbfotos zeugen von der Gegenwart Istrien und der unvergänglichen Schönheit und Romantik der Insel.
Kleine Fleischrouladen (Useleti scampai)
Useleti (oder oseleti) ist Dialekt und bedeutet "kleine Vögel" (uccellini auf Italienisch), denen diese kleinen Fleischrouladen ähnlich sehen sollen. Dies ist ein venezianisches Gericht aus der Zeit, als man kleine geschmorte Vögel aß, die mit Polenta serviert wurden. Useleti, auch useleti scampai genannt ("entflohene kleine Vögel" - obwohl ich vermute, dass sie wahrscheinlich bereits gefangen wurden, wenn sie im Topf sind!) werden traditionell aus dünnen Scheiben Kalbfleisch gemacht, die mit geräuchertem Schinken oder Bauchspeck und Salbeiblättern belegt und aufgerollt werden, bevor man sie in einer Sauce aus Wein, etwas Tomate und den austretenden Bratensäften in der Pfanne schmort. Die Anregung für dieses Rezept habe ich von meiner Tante Dina erhalten, die sie ähnlich zubereitet und noch Käse zur Füllung hinzufügt. Servieren Sie sie mit Polenta oder Kartoffelstampf mit Zwiebeln und Olivenöl, um die köstlichen Bratensäfte aufzunehmen.
Zubereitung:
Zutaten für 4 Portionen:
12 Scheiben Kalbfleisch oder Hüftsteak vom jungen Rind (ca. 600 g), je auf
ca. 6 cm x 8 cm ausgeklopft (den Metzger darum bitten)
Meersalz
12 dünne Scheiben Bauchspeck
6 dünne Scheiben Hinterschinken von guter Qualität, halbiert
12 große Salbeiblätter
60 g Gruyere, in 12 Stifte geschnitten
3 EL natives Olivenöl extra
125 ml Weißwein
60 g passierte Tomaten
Die Kalbfleischscheiben mit Salz bestreuen. Den Bauchspeck und die Schinkenscheiben übereinander darauflegen (sie sollten etwas kleiner als das Fleisch sein). Dann jeweils auf ein Ende 1 Salbeiblatt und 1 Käsestift legen - der Käse sollte etwas kürzer als die kurze Fleischseite sein (also kürzer als 6 cm). Das Fleisch aufrollen und mit einem Zahnstocher feststecken.
Das Olivenöl in eine Pfanne geben, in der die Rouladen nebeneinander Platz haben (beim Schmoren ziehen sie sich noch etwas zusammen) und bei mittlerer bis hoher Temperatur erhitzen. Die Rouladen hineingeben und unter häufigem Wenden etwa 3 Minuten von jeder Seite braun anbraten.
Den Wein, die passierten Tomaten und 185-250 ml Wasser dazugießen, sodass die Rouladen etwa halbhoch mit Flüssigkeit bedeckt sind. Aufkochen lassen, danach die Temperatur reduzieren. Den Topfdeckel auflegen und etwa 30 Minuten leise köcheln lassen, dabei die Rouladen ab und zu umdrehen, damit sie im Bratensaft liegen. In den letzten 10 Minuten den Deckel abnehmen, damit die Sauce eindickt. Das Fleisch sollte nach 40-50 Minuten gar und zart sein.
Wenn zu viel Sauce in der Pfanne ist, die Rouladen herausnehmen und auf einen vorgewärmten Teller legen, dann die Temperatur erhöhen und die Sauce auf die gewünschte Konsistenz einreduzieren. Weiteres Salz sollte nicht notwendig sein, zur Sicherheit aber noch einmal abschmecken. Die Rouladen warm mit Sauce beträufelt auf einem Polenta-Bett servieren, wenn Sie es traditionell mögen.
Mangold-Blumenkohl-Tarte (Torta salata con blede e cavolfiore)
Diese vegetarische Tarte geht im Prinzip auf ein Rezept der Marchesa Eta Polesini zurück. Dafür wird verwendet, was sie "la famosa pasta speciale" (der berühmte Spezialteig) nennt, einen Allzweckteig für Anfänger, der nicht blindgebacken werden muss, was ihn, wie sie schreibt, besonders macht. Im Gegensatz zu den meisten Teigarten wird das Backpulver hier erst nach dem Ruhen in den Teig eingearbeitet. Ich ändere das Originalrezept ab und ersetze einen Teil des Weizenmehls durch Dinkelmehl, wodurch die Tarte einen nussigeren Geschmack und eine dunklere Farbe erhält. Dies ist ein hervorragender Teig, der sehr dünn ausgerollt werden kann. Für die Füllung werden Gemüsereste aus dem Kühlschrank oder der Speisekammer verwertet. Sie können das im Rezept angegebene Gemüse gern durch das, was Sie gerade vorrätig haben, ersetzen, nur die Mengen müssen grob dieselben bleiben. Marsala als Schmorflüssigkeit verleiht dem Gemüse eine schöne Süße.
Zutaten für 6-8 Portionen:
Für den Teig:
250 g Weizenmehl (Type 550) oder 200 g Weizenmehl mit 50 g Dinkelmehl gemischt, plus mehr zum Arbeiten
Meersalz
160 g kalte Butter, klein gewürfelt
2 Bio-Eier (Größe L)
1 EL Rum oder Milch, plus mehr nach Bedarf
2 gestrichene TL Backpulver
Für die Füllung:
1 EL natives Olivenöl extra
'15 g Butter, plus mehr für die Form
50 g grüner oder bunter Mangold (einschließlich der dünnen weißen Rippen),
dicke Stiele entfernt und Blätter fein gehackt
1 Zwiebel, fein gehackt
Meersalz
1 kleiner Blumenkohl (ca. 250 g)
1 Knoblauchzehe, fein gehackt
155 g TK-Erbsen
60 ml Marsala
50 g geriebener Parmesan
2 Bio-Eier, leicht verquirlt
1 EL frisch geschnittene Petersilie
1 TL Weißweinessig
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Zubereitung:
Für den Teig die Mehle und 1 kräftige Prise Salz mit den Fingerspitzen in die Butter einarbeiten, bis feine Krümel entstehen (alternativ mit der Küchenmaschine arbeiten). Eier und Rum zugeben und alles zu einem glatten Teig kneten. Auf einer bemehlten Arbeitsfläche zu einer Kugel formen, in Folie einwickeln und 1 Stunde an einem kühlen Ort ruhen lassen.
Für die Füllung Olivenöl und Butter in einer großen Pfanne bei mittlerer Temperatur erhitzen. Mangold und Zwiebel sowie 1 kräftige Prise Salz hinzufügen und etwa 10 Minuten dünsten, ohne dass die Mischung braun wird. Währenddessen den Blumenkohl (einschließlich des Strunks) in maximal 1 cm große Stücke hacken.
Den Knoblauch zur Mangold-Zwiebel-Mischung geben und braten, bis er duftet. Dann den Blumenkohl und die Erbsen unterheben und erhitzen, anschließend den Marsala zugießen und die Temperatur auf mittlere bis hohe Stufe erhöhen. Einige Minuten garen, danach einen Deckel auflegen und auf niedriger Stufe weitere 12 Minuten garen, bis der Blumenkohl weich ist. Wenn zu viel Flüssigkeit in der Pfanne ist, den Deckel abnehmen und noch ein paar Minuten kochen, damit sie einreduziert.
Die Mischung in eine große Schüssel füllen und abkühlen lassen. Die übrigen Zutaten für die Füllung hinzufügen und mit Salz und Pfeffer würzen. Alles vermischen und beiseitestellen.
Den Backofen auf 160 °C (Umluft) vorheizen. Eine Tarteform (24 cm Ø) mit Backpapier auslegen (meine hat einen herausnehmbaren Boden). Die Seiten der Form sorgfältig mit Butter einfetten.
Die Teigkugel mit Backpulver bestreuen und schnell und kräftig verkneten. Etwa ein Drittel vom Teig abschneiden und später für den Deckel der Tarte verwenden. Die größere Portion ist für den Boden und die Seiten.
Die größere Teigportion auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche zu einem Kreis ausrollen, der etwas größer als die Form ist. Über die Form legen und hineindrücken; dabei sollte ein wenig über den Rand hängen. Die Füllung mit einem Löffel auf dem Boden verteilen.
Aus dem übrigen Teig den Deckel ausrollen und auf die Füllung setzen. Den überhängenden Teig über den Deckel zu einem erhöhten Rand rund um die Oberseite klappen. Aus vorhandenen Teigresten nach Belieben Formen ausstechen und damit die Oberseite der Tarte verzieren. Ein kleines Loch in die Mitte des Deckels stechen, damit der Dampf entweichen kann.
50-55 Minuten backen, dabei regelmäßig prüfen, ob die Oberfläche nicht zu dunkel wird. Gegebenenfalls die Ofentemperatur etwas reduzieren. Die Tarte ist gar, wenn die Oberseite fest und goldbraun ist.
Auf ein Gitter legen und warm oder zimmerwarm servieren. Abgekühlt hält sie sich in einer verschlossenen Dose an einem kühlen Ort 3-4 Tage.
Viel Freude bei der kulinarischen Reise in das Herz der Adria wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Author: Juan Obrien
Last Updated: 1702004522
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